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Von Daniel Nutz
Der EU Green Deal: weit mehr als Klimaschutz
Mit dem Green Deal will die EU die Klimaziele bis 2050 erreichen. Doch bei genauerem Blick geht es bei dem umfassenden Paket um den Standort Europa. Der Blick in die USA und nach China zeigt, dass an der grünen Transformation der Wirtschaft kein Weg vorbeiführt.
Juli 2024
ist Mitbegründer von Kontext – Institut für Klimafragen. Davor war er im u.a. im österreichischen Bundesministerium für Klimaschutz tätig.
ist CEO eines am Weltmarkt führenden Baukonzerns Holcim AG mit Sitz in der Schweiz.

Auch wenn EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unlängst den Green Deal als unveränderbares Kernstück ihrer Wirtschaftspolitik preist, eines würde die vor ihrer zweiten Amtszeit stehende Deutsche vielleicht heute anders machen: den Namen! Von Kritikern, auch aus ihrer eigenen konservativen Partei, wird der EU Green Deal manchmal überspitzt als Klimaschutzmaßnahme hingestellt, die den Interessen von Ökos und Grün-Wählern entspricht.

Der EU Green Deal: weit mehr als Klimaschutz

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Was ist der EU Green Deal?

Doch worum geht es im 2019 vorgestellten Green Deal wirklich? Eingebettet in 17 EU-Rahmenmaßnahmen – wie etwa Fit for 55 oder Net Zero Industry Act – stellt der EU Green Deal das erste wirtschaftspolitische Programm dar, welches darauf abzielt, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen und gleichzeitig nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu schaffen. Dabei geht es um Maßnahmen zur Förderung Erneuerbarer Energien, der Verbesserung der Energieeffizienz und zur Unterstützung grüner Innovationen, was zu erheblichen Investitionen und strukturellen Veränderungen in vielen Branchen führen wird. Zudem soll die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz der europäischen Wirtschaft gestärkt werden. Es geht also auf der einen Seite um die Erreichung der völkerrechtlich verbindlichen Pariser Klimaziele, aber eben auch um die Transformation der europäischen Wirtschaft im Sinne der globalen Wettbewerbsfähigkeit. Neben dem Schlagwort „Green“ sei der Terminus „Deal“ dabei das wirklich Entscheidende, sagt Florian Maringer vom Thinktank Kontext – Institut für Klimafragen im aktuellen Podcast von Börsianer Grün. „Gemeinsam mit den Sozialdemokraten erkannte die Europäische Volkspartei (EVP) 2019, dass es in Europa einen großen wirtschaftlichen Transformationsbedarf gibt, weil China und die USA im Bereich der grünen Technologien einen starken Wettbewerbsdruck ausübten.“ Dieser war damals noch primär auf der Makroebene sichtbar. In Chinas Planwirtschaft setzte man auf Zukunftstechnologien, um den Wohlstandsgewinn in der Bevölkerung zu sichern. Billige Löhne alleine schienen den Chinesen kein geeigneter Wettbewerbsvorteil für die Zukunft zu sein. Und aus den USA verspürten die Europäer zunehmend Konkurrenzwind in Sachen Technologieführerschaft. Etwa beim Thema Smart Grids, wo sich schon vor einigen Jahren im republikanisch regierten Texas ein bedeutender Photovoltaik-Cluster bildete.

Bürokratiemonster?

Doch wie kam es, dass der Green Deal mittlerweile bei vielen Unternehmen in Ungnade fiel und einige konservative Politiker heute gegen das von ihnen mitbeschlossene Paket auftreten? Manchen kommt die Veränderung offensichtlich zu schnell, um die eigenen Geschäftsmodelle entsprechend anzupassen. Andere wissen gar nicht so recht, was alles im Green Deal steckt, weil in der Öffentlichkeit oft über Spezialthemen wie etwa das Renaturierungsgesetz diskutiert wird. Wobei Maringer hier keine homogene Interessenslage sieht. „Es gibt natürlich auch einige Unternehmen, die sich hier eine schnellere Transformation mit sicheren Rahmenbedingungen wünschen.“ Eines müsse uns in Europa aber klar sein: Die Konkurrenz schläft nicht. China, Japan, Kanada oder eben die USA gehen ihren Weg. Und bei letzteren würde der eingeschlagene Transformationspfad auch eine Präsidentschaft Donald Trump II überstehen.

Dort hat die Regierung unter Joe Biden mit dem Inflation Reduction Act, kurz IRA, (ja, auch der hat einen unglücklichen Namen) ein mindestens 391 Milliarden US-Dollar starkes Programm initiiert, das der US-Wirtschaft einen Schub bei der grünen Transformation gibt. Grob zusammengefasst geht es dabei um Steuervergünstigungen für Firmen, die Technologien zur Reduzierung von Treibhausgasen vorantreiben. Die Rechnung ist klar: Am Ende sollen der Staat und der Wirtschaftsstandort durch ein entsprechendes höheres Steueraufkommen profitieren. Laut US-Regierung sind bereits im ersten Jahr 200.000 neue Jobs entstanden. Europa verfolgt ähnliche Ziele. Auch durch den EU Green Deal sollen mittelfristig Millionen neue Arbeitsplätze in der EU entstehen. Die Europäische Kommission erwartet, dass insbesondere in den Bereichen Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, nachhaltige Mobilität und Kreislaufwirtschaft neue Jobs geschaffen werden. Zum Beispiel könnten allein durch Investitionen in Erneuerbare Energien und Energieeffizienz bis zu 1,2 Millionen neue Arbeitsplätze bis 2030 entstehen.

Unterschied zu Europa?

Was läuft in den USA anders? Bei den geförderten Technologien und Sektoren gar nicht so viel. Denn was viele nicht wissen: Die Amerikaner haben teilweise recht umfangreich aus der EU-Taxonomie abgeschrieben. So meint Miljan Gutovic – der CEO des großen Schweizer Baukonzerns Holcim AG – nicht zu Unrecht: „Europa bietet das fortschrittlichste Regelungsumfeld der Welt.“ Die Bürokratie sei in den USA nicht unbedingt geringer, befindet Florian Maringer. Ein großer Unterschied bestehe aber in der Umsetzung der Maßnahmen. Das geht in den USA relativ einfach über Steuererleichterungen. Simpel ausgedrückt: Wer CO2 einspart, zahlt weniger Steuern, während diese Gutschriften mittels Steuererhöhungen für nicht grüne Unternehmen sowie Maßnahmen gegen Steuerbetrug gegenfinanziert werden. Aufgrund des strengen Wettbewerbsrechts wäre eine solche Vorgehensweise in Europa auf nationalstaatlicher Ebene nicht möglich. Darum verhaftet sich der alte Kontinent hier in Subventionsmaßnahmen. Und wieso bleibt der Wirtschaftsturbo in Europa noch aus? Maringer hat eine simple Erklärung: „Die meisten Maßnahmen werden erst jetzt in nationale Gesetze gegossen. Es braucht noch Zeit, bis diese wirken.“ Da helfe es auch nicht, wenn gewisse Interessensvertreter sich in erster Linie querstellen und wenig Konstruktives beitragen. Ein Aufweichen des Green Deals wäre letztlich kontraproduktiv für den Standort.

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Climate Fact

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Klima Fakt
Millionen Arbeitsplätze sollen bis 2030 in der EU durch Investitionen im Bereich Energieeffizienz und Erneuerbare Energien entstehen.

Der Faktor Zeit ist beim Klimaschutz aber bekanntermaßen eine schwierige Determinante. Denn alles muss schnell gehen. Aktuelle Prognosen der US-Regierung erwarten, dass sich mit dem IRA die Treibhausgasemissionen bis 2035 im Vergleich zu 2005 um 43 bis 48 Prozent verringern. Ohne IRA läge die Verringerung nur bei 27 bis 35 Prozent. Ganz vergleichbare Daten liefert die EU derzeit nicht. Aber gegenüber 1990 sind die Treibhausgasemissionen schon jetzt um 28 Prozent gesunken. Das sind teilweise Zahlenspiele, denn hinsichtlich der Pariser Klimaziele gibt es noch einiges an Aufholbedarf, wie man hier sieht.

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Beim EU Green Deal geht es um weit mehr als Klimaschutz. Im Zentrum der Maßnahmen steht die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Europa. Im Vergleich mit beispielsweise den USA hinkt Europa in der Umsetzung derzeit zeitlich hinterher.
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